Deutscher Karikaturenpreis 2007

Katalog Die Preisverleihung zur 8. Auflage des Deutschen Karikaturenpreises, den die Sächsische Zeitung (gemeinsam mit der Frankfurter Rundschau) ausrichtet, fand am Sonntag, den 18.11.2007 wie üblich im Dresdner Schauspielhaus statt. Und nachdem die Veranstaltung beim letzten Mal nicht nur am "Verflixten siebten Jahr-Syndrom" zu leiden hatte, sondern gänzlich nach Frankfurt abzuwandern drohte, gibt es diesmal nicht nur über eine perfekt gelaufene Verleihung, sondern auch deren Zukunft in Dresden zu berichten.

Die veranstaltende Agentur Neuwerk, Inhouse-Unternehmen der Sächsischen Zeitung, bei der seit kurzem auch der geschätzte mosa.X-Mitwirkende und Schöpfer des berühmten SZ-Wimmelbildes Mamei tätig ist, hat in diesem Jahr alles richtig gemacht und wurde mit einer reibungslosen und von Höhepunkten gespickten Veranstaltung belohnt. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass, nachdem man die eigentlich für Frankfurt geplante Veranstaltung dort nicht auf die Reihe bekommen hatte, die Dresdner Agentur weitgehend freie Hand bekam und sich auf die Tugenden der Vorjahre besinnen konnte.

Dazu gehörte nach dem Grußwort des neuen SZ-Chefredakteurs und ehemaligen BILD-Vize Uwe Vetterick eine Einführungsrede, die in diesem Jahr vom SZ-Redakteur und Autor Peter Ufer gehalten wurde, der ganz in der langjährigen Tradition und auf dem Niveau des ehemaligen Geschäftsführers Mario Frank eine persönliche Auswahl von Karikaturen humorvoll kommentierte, und damit die Veranstaltung gelungen einleitete.

Vetterick Ufer Pauls

Für die künstlerische Umrahmung sorgten das Trio des armenischen Pianisten David Gazarov, das mit traditionellem Jazz in traditioneller Besetzung (Klavier, Bass, Schlagzeug) unaufdringlich und auf hohem Niveau überzeugen konnte, sowie das in seiner britischen Heimat populäre Slapstick-Comedy-Duo Men in Coats. Mir persönlich war deren Humor etwas zu fäkal, aber besonders das letzte Stück mit dem "Kleinwüchsigen" war sehenswert, wie auch gesehen bei TV total.

David Gazarov Trio Ufer

Ein mächtiger Fauxpas war im Vorfeld passiert: Hartmut Berlin, Chefredakteur des Eulenspiegel und Jurymitglied, hatte nach der Preisfestlegung sein gesamtes Material einem Redakteur zur Aufarbeitung für einen Beitrag in seinem Blatt auf den Tisch gepackt. Ohne zu wissen, dass die Preisträger geheim bleiben müssen, berichtete dieser auf zwei Seiten über die Sache, und so sah sich die SZ vor mehreren Wochen mit dem Umstand konfrontiert, dass in der neuen Eule die Preisträger bereits bekannt gegeben wurden. Man machte aus der Not eine Tugend, brachte die Sieger auf der Titelseite und zog kurzerhand den Zuschauerwettbewerb vor, in dessen Rahmen in den Vorjahren ein Publikumspreisträger von den Ausstellungsbesuchern bestimmt wurde. Nun zeigte man die Karikaturen täglich auf der Titelseite der SZ und im Internet, und konnte das Geheimnis des Preisträgers bis zum Tag der Veranstaltung bewahren.

Ein weiterer Vorteil dieser Panne war, dass der wie stets geniale Laudator Tom Pauls gleich viermal auftreten durfte. In gewohnt unterhaltsamer bis scharfzüngiger Manier und mit breitesten Dialekten präsentierte der die Siegerkarikaturen von Erik Liebermann, Nicolas Mahler und Beck. Letzterer bedankte sich besonders beim Laudator, weil Siegen bei diesem Preis die einzige Gelegenheit ist, die eigenen Karikaturen erklärt zu bekommen. Publikumspreisträger Klaus Stuttmann, im vergangenen Jahr wegen einer islamkritischen Karikatur zeitweise unter Personenschutz, bedankte sich sogar augenzwinkernd beim Eulenspiegel, ohne den er diesen Preis vermutlich nicht bekommen hätte. Hier die Siegerkarikaturen:

erster Preis Publikumspreis
zweiter Preis dritter Preis

Als einzigen Programmpunkt des vergangenen Jahres übernahm man die Filmeinspielungen, diesmal über die Juryentscheidung, BECK als Gewinner und über den Lebenswerkpreisträger Hans Traxler. Um letzteren gebührend zu würdigen, hatte man einen Experten eingeflogen, der in Comic-Kreisen noch wesentlich bekannter sein dürfte als im Cartoon, nämlich den FAZ-Feuilletonisten und Donaldisten Andreas Platthaus. Passend zum Motto der Veranstaltung hatte er Traxlers Oeuvre nach Sintflut-Bildern durchforstet und ein paar echte Knüller zu Tage gefördert, die am Tag darauf auch ihren Weg in die Sächsische Zeitung fanden.

Ilse Bähnert Platthaus Traxler

Apropos: Der Publikumswettbewerb hat der SZ (und scheinbar besonders ihrem jungen Chefredakteur) so viel Spaß gemacht, dass sie seit jener Veranstaltung die politische Karikatur auf der ersten Seite trägt, wie hier berichtet wird. In der anschließenden zwanglosen Ausstellungseröffnung gab SZ-Hauskarikaturist Reiner Schwalme im Gespräch mit seinem Dresdner FRÖSI-Zeichnerkollegen Jürgen Günther (beide trafen sich übrigens das erste Mal in diesem Leben persönlich) zu, dass ihn dies zwar ehre, aber natürlich auch den Druck erhöhe, täglich eine treffsichere Pointe zu liefern.

Reiner Schwalme & Jürgen Günther Andreas J. Mueller & Jürgen Günther

Alles in allem kann man der Agentur Neuwerk nur ganz herzlich zu einer gelungenen Veranstaltung und einem sehr professionellen Umgang mit der frühen Bekanntgabe der Sieger gratulieren. In meinen Augen hat sie den größten Anteil an dem Umstand, dass der hier in Dresden gewachsene und im achten Jahr zu voller Blüte gereifte wichtigste deutsche Karikaturenpreis auch künftig hier bleibt. Hoffen und wünschen wir zumindest.

Den Katalog zum Wettbewerb mit einer Auswahl aus den 330 Arbeiten der 90 Teilnehmer gibt es bei der edition Sächsische Zeitung.

Ein kleiner Nachsatz noch, weil ich ja immer zu meckern habe: In diesem Jahr ist die Auswahl der Sieger gegenüber den ganzen anderen Beiträgen nicht so ganz nachvollziehbar. In der Filmeinspielung der Jury konnte man jedoch für einen Sekundenbruckteil den Auszählungsmodus erkennen, und der deutet darauf hin, dass jeder Juror Punkte von 5 bis 1 für seine Favoriten vergibt. Angesichts der mehreren hundert Beiträge genügt es da offenbar schon, von zwei Juroren die Höchstpunktzahl und von den anderen sieben gar keine (!) Punkte zu bekommen, um mit einem dicken Batzen Geld nach Hause zu gehen. Entscheidungstheoretisch gesehen bräuchte es für diese Art von Siegerbestimmung einen deutlich anderen Auswahlprozess - zumindest müsste die Gesamtpunktzahl auf die Anzahl der Stimmen realtiviert werden. Vielleicht kann man darüber ja mal mit der Agentur ins Gespräch kommen...

Finale Finale