Interview mit Achim Purwin
(5) Nach der Wende
Mit der GST war bekanntermaßen 1990 dann Schluss, da konnten wir uns selbst wegrationalisieren. Ich bin dann noch ein Jahr beim "Eulenspiegel" gewesen und habe dort den Umbau bis hin zur Monatszeitschrift mitgemacht. Mit dem Ziel, mich auch gleich wegzurationalisieren, denn nun kam der Segen der freien Marktwirtschaft und es ging um harte finanzielle Tatsachen, um am Markt bestehen zu können. Es ist wie überall: Festangestellte sind nun mal ein enormer Kostenfaktor. Was für die "Eule" sicher gut war, denn sie behauptete sich am Markt und es gibt sie zu meiner Freude noch heute. Ab und zu sogar mit Cartoons von mir.
Ich hatte dann eine Umschulung, "Verlagsmanagement", ein Jahr lang mitgemacht. Das war nicht schlecht, man bekam einen guten Einblick in die gesamt Buch- und Zeitschriftenproduktion, den neuesten Stand der Technik, drucktechnische Probleme. Wir lebten da in der DDR technisch gesehen teilweise noch einem Museum. Das Peinlichste, was mir gleich nach der Wende passierte, geschah bei einer Ausstellungseröffnung. Da schiebt so ein Mädchen ein Stück beschriebenes Papier in ein Gerät und ich frage neugierig: "Was machen Sie denn da? "Ich schreibe meiner Oma, ich komme heute nicht zum Abendessen." "Und warum rufen Sie denn nicht an?" "Na weil ich das per Fax mache!" Musste ich armer Ossi erstmal dumm fragen: "Was ist ein Fax?" Und stand da wie ein Blödel - nicht besser als manchmal mein Held in einem Comic. Aber wer hatte um Himmelswillen in der DDR ein Fax-Gerät?
Seit 1993 bin ich freischaffender Cartoonist. Ich hatte genug Kontakte. Ich musste bloß immer den Überblick behalten, damit ich keinen Scheiß mache.
Und das sind Kontakte, die damals schon bestanden?
Nein, die musste ich alle neu aufbauen. Aber es ging. Ich gab mit einem Verlag für Kinder eine Brandschutzfibel heraus sowie ein Comic-Heft zum Thema "Verkehrssicherheit" für Kinder. Von 1995 bis 2002 zeichnete ich Comics für den "Feuerwehr-Kurier". Dazu habe ich die legendäre Figur "Feuerwehrmann Fix" von Richard Hambach - die Rechte waren natürlich geklärt - weitergeführt. In der Zeitschrift habe ich noch mal eine Comic-Serie gemacht mit wieder zwei neuen Figuren [Fred & Fanny], die müsste ich mal wieder zum Leben erwecken. Es geht um Brandschutzerziehung für Kinder. Nun ja - die Zeitschrift wurde eingestellt. Allerdings nicht wegen meiner Comics...
Bei der Arbeit für andere Zeitschriften habe ich aber die Erfahrung gemacht: auch hier lebt dieser alte Mechanismus: Ein paar leitende Verantwortliche oben in der Struktur einer Einrichtung, in deren Auftrag die Zeitschrift herausgegeben wird, kamen teilweise mit knallharen Vorstellungen, Krümelkackereien, wollen fast Gebrauchsanweisungen im Comic für den Alltag vorschreiben... Der Tod der Phantasie!
Wie ist es zu Ihrer Arbeit für den TROLLl gekommen, wo Sie ja regelmäßig drin sind?
Die Redaktion des "Eulenspiegel" saß in dem Gebäude am Mehring-Platz am Berliner Ostbahnhof. Dort saß auch die TROLL-Redaktion. Das war alles eins, dadurch hatten wir schon Kontakt. Und die Rätselzeitung TROLL läuft wohl heute noch ganz gut. Vielleicht auch wegen meiner Zeichnungen - haha!
Heute zeichne ich auch für Zeitschriften, von denen ich [inhaltlich] keine Ahnung habe, wie für Funk- und Technik-Zeitschriften. Aber da lese ich mir das durch, nehme mir das Lustige raus, zu dem die Herren Ingenieur-Redakteure sagen, wie kann man sich so einen Blödsinn ausdenken, freuen sich darüber - und drucken es. So ist meine Welt. Für eine Tageszeitung zu arbeiten, bin ich zu faul, 14-tägige Zeitungen reichen schon. Im TROLL kann man auf Vorlauf arbeiten, da bin jetzt - also Weihnachten - schon bei Ostern. Als Karikaturist lebt man eben - wie viele wohl auch - nach der Kinderüberraschungseier-Methode: Mal da ne Mark, mal da ne Mark, mal da 100 Euro, da 200 Euro und manchmal auch für'n Appel und 'n Ei. Aber irgendwie kommt schon was zusammen ...
Man sieht, dass sich über die Jahrzehnte ihr Strich auch verändert hat.
Ja klar, es wird alles lockerer, kultivierter, vielleicht manchmal auch schlechter - oder besser...
Könnten Sie bitte noch einmal auflisten, für welche Zeitschriften bzw. Auftraggeber Sie gegenwärtig mit welcher Art von Produkt tätig sind?
Das wäre etwas zuviel verlangt, denn morgen kann alles schon wieder ganz anders sein: Diese Zeitschrift verschwindet, eine neue Zeitschrift erscheint. Eine relativ stabile Zusammenarbeit gibt es mit Verlagen in Stuttgart, Baden-Baden, Berlin. Wichtiger ist vielleicht: Mal wieder was selber produzieren. Ich arbeite zur Zeit an einem Projekt "Hauptmann von Köpenick", dessen Streich im nächsten Jahr 100. Jubiläum hat...