Interview mit Thomas Schmitt
Die Matufflis
Schmitt: 1971 waren wir mit unseren Eltern im Sommerurlaub in Zakopane. Das war kurz vor ihrer Silberhochzeit im September, und der Urlaub war ein Fiasko. Es hat laufend geregnet, mein Vater bekam eine Nierenkolik und meine Mutter hatte es mit dem Herzen, das war fürchterlich. Wir haben also viel im Quartier gesessen, und da haben wir uns gedacht, da können wir jetzt ja was malen, bei dem Scheißwetter. Machen wir doch gleich was für die Eltern zur Silberhochzeit. Und dabei ist diese Idee entstanden und das erste Abenteuer.
Also einige Jahre vor der späteren Veröffentlichung.
Schmitt: Ja. Ich habe damals schon Retuscheur gelernt, in der [Betriebsberufsschule] "Rudi Arndt", und dort gab es auch eine Buchbinderei. Die haben uns das gebunden, und dann haben wir ihnen zwei kleine Bücher geschenkt. Die Eltern waren natürlich gerührt, und Vater hat gesagt, das ist so gut, das müssen wir irgendwie mal veröffentlichen. Dann fing die NBI mit Comics an, und er hat ihnen die Geschichte angeboten. Er saß ja mit der "Berliner Zeitung" im selben Haus am [Alexanderplatz], und die kannten sich alle. So ist diese Kiste zustande gekommen.
In der NBI waren die Matufflis der erste Farbcomic. Waren das Eure Farben?
Schmitt: Ja.
Aber es ist dann noch maschinell gelettert worden?
Schmitt: Nein, das haben wir auch alles selbst gemacht. Ich glaube, es waren damals noch Abreibebuchstaben. Das war eine viehische Arbeit.
Stimmt, nach "Typofix" sieht es tatsächlich aus.
Schmitt: Die Farben waren Keilitz-Farben, Fotofarben, die sehr schön leuchten im Druck. Allerdings ist es schwierig, mit Keilitz-Farben eine große Fläche gleichmäßig zu malen, besonders wenn man mal den Daumen drauf hatte oder so, das erzeugte sofort Flecken.
Habt Ihr das später anders gemacht? Denn schon das zweite Abenteuer sah aus, als wären die Farbflächen gleichmäßig gefüllt worden. Andere Comics werden so produziert, dass jemand in eine große Fläche die Farbe schreibt und jemand anders die Flächen maschinell füllt.
Schmitt: Nein, wir haben das alles selbst gemacht, jedes mal mit Keilitz, glaube ich. Wir haben später einfach mehr Übung gehabt und auf kleinerem Papierformat gearbeitet, aber natürlich nicht 1:1. Gegen die Originale hatten die Abdrucke Briefmarkengröße, und waren manchmal auch schlecht gedruckt, teilweise mit 1 mm Farbverschiebung.
1976 erschienen die Matufflis in der NBI. Damals wart ihr mit Anfang 20 noch recht jung für Leute, die in der DDR Comics veröffentlichen. Wie ging es weiter?
Schmitt: Es gab dann eine lange Pause, was vor allem an MTS lag. Wir hatten 1973 angefangen, wurden 1975 Berufsmusiker und ab 1976 waren wir ganz schön unterwegs. Ich selbst hatte 1974 mit meinen Zeichnungen einen Aufnahmeantrag als Karikaturist an den Presseverband gestellt, "Sektion Pressezeichner" nannte sich das. Louis Rauwolf war mein Bürge. So einen Bürgen brauchte man da. Mein Vater war übrigens Bürge von Heinz Jankofsky.
Damit habe ich gleich meine Arbeit hingeworfen und bekam einen Job bei den "Neuesten Nachrichten" [Zeitung der Nationaldemokratischen Partei]: Einmal pro Woche eine politische Karikatur. Das war grausam, denn die NDPD war noch roter als die andern. Da durfte man gar nichts machen, am besten jede Woche nur über Solidarität oder so. Aber ich habe das eine Jahr durchgehalten, dann ging es aufgrund der Einstufung als Berufsmusiker mit MTS richtig los, und ich habe den Job sausen lassen.
Mein Vater hat das nicht so gern gesehen, der dachte, ich werde mal noch ein großer Zeichner. "Oh, bei der Musik, was das wird, und lange Haare...", er hat da immer bisschen Angst gehabt. Aber als wir dann das erste Mal im Radio kamen, war alles gelaufen. Da war er stolz, und hat selber Texte für uns geschrieben. Dann waren wir so viel unterwegs, dass [Uli und ich] lange nicht zum Zeichnen kamen.
Es folgte eine lange Pause bis 1982. Habt ihr euch dann wieder hingesetzt und gesagt, so, jetzt hängen wir noch einen oder mehrere dran?
Schmitt: Wir wollten das schon früher, hatten aber nie die Zeit. Irgendwann haben wir dann gesagt, los, wir müssen das jetzt durchziehen. Und nächstes Jahr gleich die nächste Geschichte.
Dann folgt wieder eine Pause von mehreren Jahren bis zur vierten Geschichte 1988.
Schmitt: Das wird wahrscheinlich ähnliche Gründe gehabt haben. Dann haben wir noch ein Märchen gemacht, "Wie die Goldhamster zu ihren Farben kamen".
Das wurde dann schon in der Wendezeit abgedruckt?
Schmitt: Genau. Das hatte ich mal meinem Bruder zum Geburtstag geschenkt, weil der ein großer Goldhamster-Fan ist. Dann sagte Uli, lass uns das mal [zur Veröffentlichung] machen.
In euren Comics tretet ihr stets "in Personalunion" auf, die Geschichten wirken wie aus einem Guss, und man kann nicht ablesen, wer welchen Anteil hatte. Wie sieht die Arbeitsteilung aus, wer ist wofür zuständig?
Schmitt: Mein Bruder entwickelt schwerpunktmäßig die Ideen. Dann entwerfen wir die Geschichten zusammen, und ich zeichne sie. Er hilft dann wieder bei der Fertigstellung, die Kolorierung und die Schrift hat er immer beigesteuert.
Euer Strich hat sich zwischen dem ersten und dem letzten Abenteuer sichtbar verändert. Das fällt besonders auf, wenn man die Zeitschriftenabdrucke mit den überarbeiteten Buchversionen der ersten beiden Geschichten vergleicht. Habt Ihr diese Veränderungen selbst wahrgenommen?
Schmitt: Ich glaube, wir sind besser geworden. [Am Anfang] waren Größen unterschiedlich, und Proportionen stimmten nicht immer.
Waren die Matufflis als Serie geplant?
Schmitt: Das weiß ich nicht mehr. Ich denke, geliebäugelt haben wir damit wahrscheinlich. Schwer zu sagen, aber ich denke schon, denn wir hatten ja viel mit dem Medium Comic zu tun, und die hatten meist mehrere Folgen. Es wäre schon unser Traum gewesen. Wir haben auch noch Ideen für weitere Geschichten und haben es sehr bedauert, dass das mit den Büchern nicht weiterging. Der Eulenspiegel-Verlag kam nach der Wende wegen der Wiederveröffentlichung von Vaters Büchern auf uns zu, und im Rahmen der Gespräche bot Uli dem Verlag die Matuffli-Geschichten an. Aber es ist heutzutage natürlich schwer, Kinderbücher zu machen, ohne sie massiv zu bewerben. Was wirklich verkauft wird an Kinderliteratur, egal von welcher Qualität, ist Zeug, das im Fernsehen läuft. Es läuft wohl so, dass die Kinder die Eltern nerven, bis die nachgeben. Das wirklich pädagogisch wertvolle Zeug fällt dabei hinten runter.
Die erste Matuffli-Geschichte war also ein Silberhochzeitsgeschenk. Hat Euer Vater später auf die anderen Serien reagiert oder irgendwie Einfluss genommen auf die zweite und dritte Geschichte?
Schmitt: Er fand es sehr gut, und sagte bei dem letzten dann schon, "Mensch, da seid ihr schon besser als icke." Er war stolz drauf, aber es war kein Neid im Spiel. Es war für ihn die größte Freude. Wir hatten vor, auch mal zu dritt etwas zu machen, aber das hat irgendwie nicht so richtig geklappt. Er hat immer gern gesehen, wenn wir was gezeichnet haben.
Gab es damals andere Rückmeldungen von Kollegen aus der Zeichner- oder Comicszene auf Eure Arbeit?
Schmitt: Na ja, wir kannten kaum Leute, außer denen, die Vater kannte. Ich ging immer noch dienstags zu den Verbandssitzungen, wenn wir nicht mit MTS spielten, aber dort waren auch nur wenige, da wurde nicht allzu viel drüber gesprochen.