Interview mit Reiner Schwalme
Künstlerisches
Schwalme: Das ist mir vollkommen egal. So war damals die Terminologie. Comics kamen eben aus dem Westen und wurden deshalb abgelehnt. Es gibt ja auch noch andere Bedeutungswandel. Zum Beispiel spricht man heutzutage von Cartoon und differenziert nicht so wie wir das damals zwischen Karikatur als Zeichnung mit Text und dem Cartoon als Zeichnung, die ohne Text etwas aussagt.
Können Sie sich erinnern, wann Sie das erste Mal mit Comics bewusst in Berührung gekommen sind?
Schwalme: Bis heute, muss ich sagen, habe ich nur ein geringes Interesse an dem Medium. Allerdings sind mir Comicbände in die Hände gekommen, die ich wegen ihrer Grafik bewundere, Comicserien, die von ganz exzellenter Zeichnung leben. Es gibt aber auch viele, die kommerziell so raffiniert gemacht sind, dass sie schon wieder Vorbehalte wecken.
In der Zeit der Pop-Art gab es international eine ganz bestimmte Art zu zeichnen, die mir imponiert hat. Die Pop-Art fand ich überhaupt sehr inspirierend für Zeitungsmacher und Zeichner. Ich habe diesen Stil nicht kopiert oder nachgemacht, aber es hat mich schon interessiert und gefiel mir. So fand ich zum Beispiel die Beatles-Geschichte von Edelmann ganz exklusiv.
Ich hatte leider keinen großen Kontakt zu Comics. Ich hätte ihn schaffen können, wie ich es auch auf anderen Gebieten tat. Die Mitglieder des Verbandes Bildender Künstler konnten in Bibliotheken auch West-Titel einsehen, und so hätte ich mir damals Comics beschaffen können, aber ich hatte ein reduziertes Interesse am Comic, da mich die Karikatur doch mehr begeisterte. Die Sachen von Erich Schmitt haben mich interessiert, vor allem amüsiert, denn der hatte einen richtig guten Berliner Mutterwitz, und meine Söhne waren auch immer ganz begeistert.
Ich frage deshalb nach Ihrer Begegnung mit anderen Comics, weil Sie einer der wenigen DDR-Comic-Zeichner waren, die die formalen Möglichkeiten des Mediums ausnutzten. Bei anderen steht man als Betrachter stets in der gleichen Position vor den handelnden Figuren, wie im Theater. Bei Ihnen gibt es, wie am Beispiel der ersten 1984er Folge von Rolf und Robert besonders deutlich, von Bild zu Bild immer wieder einen Perspektivwechsel.
Schwalme: Das hat aber einen anderen Hintergrund: Das hat nichts mit Comics zu tun, sondern damit, dass ich in meiner Jugend cineastisch sehr interessiert war.
Das ist also ein typisch filmisches Element ihrer Comics.
Schwalme: Ja. Und ich sehe auch eine Beziehung zwischen Comic und Film. Ich hätte sehr gern einmal für den Film gearbeitet, sei es als Regisseur oder so, aber es hat ich auch Dank meiner Trägheit nicht ergeben. Aber die Liebe zum Film ist da, und dadurch ist das, glaube ich, zustande gekommen.
Was war ihr erster eigener Comic?
Schwalme: Das fing wohl mit Bildfolgen an, eigentlich Cartoonzeichnungen mit drei oder vier Bildern, in denen sich eine kurze Geschichte entwickelt. Das macht aber jeder Karikaturist irgendwann mal.
Comics waren ja lange relativ verpönt in der DDR, hat sich das auf Sie irgendwie ausgewirkt?
Schwalme: Nein, ich hatte offensichtlich in einer Zeit damit zu tun, als sie nicht mehr verpönt waren. Ich bin in dieser Hinsicht kein Widerstandskämpfer oder sowas. Ich habe gezeichnet, was die Redaktionen haben wollten, und hatte das Glück, dass zum Beispiel der Chefredakteur der Trommel so aufgeschlossen war und [Rolf und Robert] so umsetzen wollte.
Noch einmal eine Frage zu Ihrem eigenen Stil, der ja einen extrem hohen Wiedererkennungswert hat. Entwickelt sich so etwas einfach so im Verlauf der Zeit, oder nimmt man bewusst Einfluss darauf? Standen Sie eines Tages davor und sagten sich, dass sieht ganz typisch aus für mich?
Schwalme: Das ist wie mit der Handschrift. Wenn Sie Kinderaufsätze von verschiedenen Kindern sehen, dann werden Sie Ähnlichkeiten in der Handschrift entdecken, und erst wenn man langsam erwachsen wird, bildet sich eine Handschrift heraus, die ganz typisch für den einzelnen ist, so typisch, dass Sie dann schon beinahe nicht mehr zu verleugnen ist. Und so ähnlich ist es mit dem Zeichnen.
Sehr charakteristisch finde ich bei Ihnen, dass alles so stark in Bewegung wirkt. Sie brauchen nur eine Linie für ein Gesicht, dennoch hat die nahezu überall Schwung. Hat das eine technische Ursache, also ist es eine bestimmte Art zu zeichnen oder verwenden Sie bestimmtes Material?
Schwalme: Nein. Eigentlich ist mein Zeichnen eher eine Art Schreiben. Ich konstruiere die Zeichnungen nicht. Es gibt Kollegen, die müssen eine Zeichnung aufbauen und konstruieren, da folgt ein Glied dem anderen. Ich habe das Glück, dass ich flüssig zeichnen kann. Und wenn es mir nicht gelingt und mir etwas daneben geht, dann zeichne ich eben noch mal flüssig. Ich mag es nicht, wenn groß korrigiert und gebaut wird.
Also da läuft auch nicht viel über Vorzeichnung?
Schwalme: Vorzeichnung schon, das braucht jeder ein bisschen. Aber die Figuren müssen aus der Feder fließen, zumindest ist das bei mir so.
Daran liegt es möglicherweise, dass ihr Strich so dynamisch wirkt.
Schwalme: Ja, das kann sein. Allerdings, ich bin mit vielen alten Zeichnungen, auch von Rolf und Robert, nicht zufrieden. Würde ich heute ganz anders machen.